Die Teilnahme an Glücksspielen ist für die überwiegende Mehrheit der Spielerinnen und Spieler harmlos: Für sie bieten Spiele lediglich Zeitvertreib, Unterhaltung, Kontaktmöglichkeiten, Spannung oder die Hoffnung auf einen Gewinn.

Bei manchen Menschen jedoch kann Glücksspiel pathologisches Formen annehmen: Die Interessen der Betroffenen sind stark eingeengt, sie vernachlässigen Familie, Freizeit und Arbeit. Zudem entstehen ihnen hohe Schulden. Die Folgen: psychische Störungen wie Depressionen oder ein erhöhtes Suizidrisiko.

Definition von Glücksspielen

Bietet ein kostenpflichtiges Spiel die Aussicht auf einen Gewinn, und hängt dieser ganz oder überwiegend vom Zufall ab, handelt es sich um ein Glücksspiel. Auch Wetten mit Geldeinsatz sind Glücksspiele.

Dem gegenüber stehen Geschicklichkeits- oder Kompetenzspiele: Dort hängt die Gewinnchance von Übung, Geschicklichkeit oder Wissen ab.

Es gibt eine Reihe von Spielen die zwischen den beiden Spielformen liegen, wobei auch rechtliche Definitionen relevant sind.

Bei Lotto, Spielautomaten oder Roulette hängt der Gewinn allein vom Zufall ab. Bei Sportwetten gibt es theoretisch einen Kompetenzanteil: Das Wissen über die beteiligten Sportler suggeriert dem Spieler oder der Spielerin einen Wettvorteil. Gleichwohl überschätzen die meisten Wettbeteiligten ihr Know-how.

Der Kompetenzanteil bei Spielen wie Black Jack oder Poker ist sehr gering. Selbst für Profispieler, die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten können – dafür aber sehr viele Stunden an Spielzeit investieren.

Arten von Glücksspielen

Gemessen an den Bruttospielerträgen hatte der Glücksspielmarkt in Deutschland 2020 ein Gesamtvolumen von 11,68 Milliarden Euro. Der Anteil der legalen Glücksspiele betrug 87%. Im Herbst 2020 wurden weitere Angebote für Sportwetten zugelassen. Rechnet man diese hinzu, liegt der Anteil der legalen Glücksspiele bei 93%. 81% aller Glücksspiele waren 2020 stationär, 19% online (zum Jahresreport der Glücksspielaufsichtsbehörden).

2020 umfasste der legale Markt:

  • Casinospiele: 18 Spielbankgesellschaften
  • Geldspielgeräte: rund 5.000 – 6.000 Automatenaufsteller (Spielhallen, Gaststätten)
  • Staatliche Lotterien und Sportwetten: 16 Landeslotteriegesellschaften des DLTB
  • Staatliche Klassenlotterien: GKL Gemeinsame Klassenlotterie der Länder
  • Soziallotterien: 5 Soziallotteriegesellschaften
  • Sparlotterien: 30 Lotterieträger der Banken und Sparkassen
  • Pferdewetten: 25 aktive Rennvereine mit Totalisator, 36 Buchmacher
  • Sportwetten: 21 Sportwettenanbieter (seit Oktober/November 2020).

Der illegale Glücksspielmarkt, teilweise in einer durch Gerichtsurteile geduldeten Grauzone, umfasste 2019 die folgenden vier Segmente mit schätzungsweise 17% des Marktanteils:

  • Sportwetten im stationären und Online-Vertrieb (bis Oktober/November 2020)
  • Online-Casino
  • Online-Poker und
  • Online-Zweitlotterien

Nicht einbezogen sind dabei die in Schleswig-Holstein seit 2012 bereits erlaubten Anbieter aus diesen Bereichen für das Gebiet dieses Landes.

Arten von Glücksspielverhalten

Glücksspielverhalten lässt sich nach qualitativen Kriterien und Charakterisitka in drei Gruppen einteilen (modifiziert nach Müller-Spahn & Margraf, 2003).

Im Folgenden gilt: Spielausgaben = Spieleinsätze plus Gewinne minus Verluste

1. Risikoarmes Glücksspielen (soziales Glücksspielen)

  • Spiel bereitet Freude, soziale Kontakte spielen eine Rolle.
  • Glücksspielen ist auf die Freizeit beschränkt.
  • Finanzielle Ausgaben sind begrenzt und entsprechen dem frei verfügbaren Einkommensanteil.
  • Häufigkeit, Dauer und Geldeinsatz für Glücksspielen steht in einem angemessenen Rahmen zu anderen Aktivitäten und nimmt im Zeitverlauf nicht zu.
  • Angehörige und Dritte halten die Glücksspielaktivitäten als angemessen.

2. Riskantes Glücksspielen (problematisches Glücksspielen)

  • Die Spielfrequenz nimmt zu.
  • Risikoreiche Spielvarianten werden gewählt.
  • Die Einsätze werden gesteigert, um Nervenkitzel zu erhalten.
  • Die Tendenz, das eigene Spielverhalten sowie die Ausgaben zu bagatellisieren und zu verleugnen, nimmt zu.
  • Spielausgaben erreichen bedeutsame Anteile am frei verfügbaren Einkommen oder überschreiten es.
  • Andere notwendige Ausgaben wegen der Ausgaben für Glücksspiele eingeschränkt.
  • Es kommt zu „Aufholjagden“, um erlittene Ausgaben auszugleichen (beginnende Verschuldung).
  • Reduzierte Kontrolle über Spielverhalten (Häufigkeit, Dauer und/oder Geldeinsatz).
  • Soziale Kontakte werden vernachlässigt, es kommt zu Problemen in der Partnerschaft.

Anmerkung: Der Forschungsstand zu den Kriterien für riskantes Spielverhalten im Sinne einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer Glücksspielstörung ist gering.

3. Abhängiges Glücksspielen (Glücksspielsucht, pathologisches Glücksspielen bzw. Glücksspielstörung)

  • Es kommt zum Kontrollverlust: Spieler*in ist nicht mehr in der Lage, Häufigkeit, Dauer und/oder Geldeinsatz  einzuschränken.
  • Exzessives Spielen bis zum völligen Geldverlust
  • Die zunehmende Verschuldung führt zu problematischen oder illegalen Methoden der Geldbeschaffung.
  • Es kommt zu Veränderungen der Persönlichkeit: Reizbarkeit, Selbstverachtung, Stimmungsschwankungen.
  • Sozialer Abstieg: familiäre Zerrüttung, Verschuldung, Arbeitsplatzverlust

Klinische Kriterien für pathologisches Glücksspielen

Im aktuellen Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders DSM-5 ist pathologisches Glücksspielen erstmals ein eigenständiges Krankheitskonzept. Im Diagnosesystem ICD-10 sowie in der früheren Version DSM-IV zählt es zu den Störungen der Impulskontrolle.

1. Diagnosekriterien für Störungen durch Glücksspielen nach DSM-5

Im DSM-5 wurde pathologisches Glücksspielen unter dem neuen Begriff „Störungen durch Glücksspielen“ in die Gruppe der „Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen und abhängigen Verhaltensweisen“ aufgenommen. Dabei gelten folgende diagnostische Kriterien:

  • Toleranzentwicklung – Notwendigkeit des Glücksspielens mit immer höheren Einsätzen, um eine gewünschte Erregung zu erreichen.
  • Entzugserscheinungen – Unruhe und Reizbarkeit bei dem Versuch, das Glücksspielen einzuschränken oder aufzugeben.
  • Kontrollverlust – Wiederholte erfolglose Versuche, das Glücksspielen zu kontrollieren, einzuschränken oder aufzugeben.
  • Starke gedankliche Eingenommenheit durch Glücksspielen (z.B. starke Beschäftigung mit gedanklichem Nacherleben vergangener Spielerfahrungen, mit Verhindern oder Planen der nächsten Spielunternehmung, Nachdenken über Wege, Geld zum Glücksspielen zu beschaffen).
  • Häufiges Glücksspielen in belastenden Gefühlszuständen (z. B. bei Hilflosigkeit, Schuldgefühlen, Angst, depressiver Stimmung).
  • Rückkehr zum Glücksspielen am nächsten Tag, um Verluste auszugleichen (dem Verlust „hinterherjagen“, auch „chasing“ genannt).
  • Belügen anderer, um das Ausmaß der Verstrickung in das Glücksspielen zu vertuschen.
  • Gefährdung oder Verlust einer wichtigen Beziehung, eines Arbeitsplatzes, von Ausbildungs- oder Aufstiegschancen aufgrund des Glücksspielens.
  • Verlassen auf finanzielle Unterstützung durch andere, um die durch das Glücksspielen verursachte finanzielle Notlage zu überwinden.

2. Diagnosekriterien für pathologisches Glücksspielen nach ICD-10

In Deutschland sind für offizielle Zwecke noch die Diagnosekriterien nach ICD-10 gültig, die „pathologisches Spielen“ als Störungen der Impulskontrolle mit eher unpräzisen diagnostischen Kriterien einordnen. Die seit 1. Januar 2022 erfolgte internationale Einführung der ICD-11 wird in Deutschland noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Bis zur Einführung wird ICD-10 weiterhin die gültige amtliche Klassifikation bleiben:

„Die Störung besteht in häufigem und wiederholtem episodenhaftem Glücksspiel, das die Lebensführung der betroffenen Person beherrscht und zum Verfall der sozialen, beruflichen, materiellen und familiären Werte und Verpflichtungen führt“:

  • Wiederholte (zwei oder mehr) Episoden von Glücksspiel über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr
  • Diese Episoden bringen den Betroffenen keinen Gewinn, sondern werden fortgesetzt trotz subjektivem Leidensdruck und Störung der Funktionsfähigkeit im täglichen Leben.
  • Die Betroffenen beschreiben einen intensiven Drang, zu spielen, der nur schwer kontrolliert werden kann. Sie schildern, dass sie nicht in der Lage sind, das Glücksspiel durch Willensanstrengung zu unterbrechen.
  • Die Betroffenen sind ständig mit Gedanken oder Vorstellungen vom Glücksspiel oder mit dem Umfeld des Glücksspiels beschäftigt.

3. Problematisches Glücksspielen

Als eine schwächere Ausprägung wird häufig der Begriff „problematisches Glücksspielen“ verwendet, der aber nicht in den Klassifikationssystemen eingeführt und einheitlich definiert ist, und deshalb sehr unterschiedliche Bedeutungen hat. Deshalb sind Studienergebnisse, die diese Begriffe verwenden, in der Regel nicht vergleichbar und nicht interpretierbar. Es wird vorgeschlagen den neutralen Begriff „riskantes Glücksspielen“ zu verwenden, und die jeweilige Definition genau zu operationalisieren:

Verbreitung

Für Deutschland liegen aus der Zeit zwischen 2007 und 2019 insgesamt zehn bevölkerungsbezogene Studien zur Anzahl der Spielteilnehmenden an den unterschiedlichen Glücksspielen und zur Anzahl pathologischer Glücksspieler vor. Trotz einiger methodischer Unterschiede und unterschiedlicher Erhebungsinstrumente lag der Anteil aktiver Glücksspieler (letzte 12 Monate; 16-70 Jahre) in der erwachsenen Bevölkerung zuletzt 2019 bei etwa 38% und ist seit 2007 mit 55% deutlich rückläufig (Glücksspielsurvey 2019, Tab. 18, S. 149).

Der Anteil „wahrscheinlich pathologischer Glücksspieler“ liegt seit 2007 weitgehend unverändert bei 0,3 bis 0,45 % der Bevölkerung zwischen 16 und 70 Jahren (0,34% der Bevölkerung bei der letzten Erhebung 2019; oder etwa 1% der aktiven Spieler). Dies sind etwa 200.000 Personen; unter Berücksichtigung des Konfidenzintervalls etwa 65.000  bis 623.000. Dieser Anteil hat sich trotz aller Veränderungen beim Glücksspielangebot – über mehr als zehn Jahre nicht verändert (Glücksspielsurvey 2019, Tab. 6, S. 87). Der Begriff „wahrscheinlich pathologischer Glücksspieler“ wird verwendet, da die Daten mit dem Screening Fragebogen SOGS erhoben wurden, der die Qualität klinischer Diagnosen nicht erreicht.

Ein etwa gleich großer Anteil aus den Studien wird als Personen mit einem „problematischen Glücksspielen“ eingestuft. Hierfür werden jene Personen gezählt, die eine geringere Zahl von diagnostischen Kriterien bzw. Punkte erreichen als für die klinische Diagnose notwendig. Diese Grenzwerte sind jedoch international nicht definiert und untersucht, so das unklar bleibt, was die Einstufung dieser Personen bedeutet.

Risikofaktoren

Der Anteil der Personen mit einem pathologischen Spielverhalten ist absolut hoch, im Vergleich zu den aktiven Spielenden aber gering. Daraus ergibt sich für die Prävention und Früherkennung die Frage nach den Risikofaktoren für die Entwicklung dieser Störung bzw. den ätio- pathologischen Prozessen, die hierbei eine Rolle spielen. Dies gilt insbesondere unter dem Aspekt, dass die Merkmale des Angebots wie Zugangsnähe oder Zugangsschwellen zu stationären und internetbasierten Angeboten weitgehend gleich für alle erwachsenen Personen in Deutschland sind, sodass damit das erhöhte Risiko für 1% der aktiv Spielenden (12 Monatsprävalenz) oder etwa 0,35% der Bevölkerung nicht erklärt werden kann.

Die Forschung der letzten Jahre zeigt erste Hinweise auf eine unterschiedliche individuelle Vulnerabilität der Spielerinnen und Spieler für die Entwicklung einer Glücksspielstörung, während die – empirisch gesicherten – Erkenntnisse zu Angebotsfaktoren gering sind. Im Vordergrund stehen dabei folgende Gruppen von Vulnerabilitätsfaktoren (weitere Informationen hier):

Neuropsychologie

Neurobiologie

Psychologie

Literatur